Stéphan-Hessel-Programm
Im Rahmen eines ersten Schüleraustauschs über unsere Schule fuhren wir gemeinsam mit Lehrern und Mitschülern nach Frankreich und lernten unsere Austauschfamilien kennen. Schon damals stand für mich fest: Das soll nicht das letzte Mal gewesen sein. Frankreich hatte mein Herz erobert.
Also bewarb ich mich für das Stéphan-Hessel-Programm, um erneut an einem vierwöchigen Austausch teilzunehmen. Meinen Austauschpartner kannte ich bereits – Gabriel und ich hatten uns beim Schulaustausch kennengelernt und waren sofort Freunde geworden. Nachdem er im Juni vier Wochen bei uns verbracht hatte, war ich nun an der Reihe, ihn zu besuchen.
Individueller Schüleraustausch mit vielen Erlebnissen - Woche 1
Wochenlang freute ich mich auf meinen zweiten Austausch. Am Samstag, den 30. August, war es endlich so weit: Ich trat meine Reise mit der Deutschen Bahn an – über 1.000 Kilometer mit Umstiegen in Frankfurt und Lyon. Als ich abends am Bahnhof in Valence ankam, empfingen mich Gabriel, seine Geschwister und sein Vater herzlich. Trotz der langen Fahrt konnten Gabriel und ich nicht sofort schlafen – wir hatten uns so viel zu erzählen. Unser Gespräch war ein bunter Mix aus Französisch, Englisch und Deutsch.
Am nächsten Morgen starteten wir nach einem gemeinsamen Frühstück zu einem Ausflug ins Nachbardorf mit gerade einmal 25 Einwohnern. Von dort wanderten wir auf einen der höchsten Berge der Region. Obwohl ich geübter Wanderer bin, kam ich ganz schön ins Schwitzen – aber der Ausblick auf den Mont Blanc war jede Anstrengung wert. Es war ein unvergesslicher Moment, diesen beeindruckenden Berg aus der Nähe zu sehen. Dieser Tag markierte auch das Ende der Sommerferien in Frankreich.
Die darauffolgende Woche war besonders spannend, denn ich durfte den französischen Schulbeginn – „rentrée“ – miterleben. In Gabriels Schule gibt es jedes Jahr neue Klassenzusammensetzungen, was den ersten Tag umso aufregender machte. Am Mittwoch, dem kurzen Schultag, unternahmen wir direkt wieder einen Ausflug – diesmal ins Museum der Résistance, wo ich viel über die Geschichte der Region lernte.
Am ersten Wochenende besuchten wir eine stillgelegte Zugstrecke im Tal der „Alpine de Rhône“. Dort fuhren wir mit einem alten, umgebauten Auto auf den Schienen – ein riesiger Spaß und ein echtes Abenteuer!

Neue Schulerlebnisse in Woche 2
In der zweiten Woche durfte ich den Deutschlehrer der Schule begleiten und im Unterricht unterstützen. Es war unglaublich spannend, einmal selbst vor einer Klasse zu stehen und meine Muttersprache zu vermitteln. Mit den jüngeren Schülern sang ich deutsche Kinderlieder und übte kleine Reime – so wie wir es in Deutschland schon im Kindergarten machen.
Mittlerweile hatte ich mich gut an den französischen Schulalltag gewöhnt: zwei lange Tage, ein kurzer Mittwoch, dann wieder zwei lange Tage – und endlich Wochenende. Unterricht bis halb fünf war an den langen Tagen ganz normal.
An einem freien Nachmittag besuchten Gabriel und seine Großeltern mit mir den „Palais Idéal“, ein beeindruckendes Bauwerk, das ein einfacher Postbote aus gesammelten Steinen für seine Tochter errichtet hatte – ein echtes Kunstwerk!
Ein weiteres Highlight war der Besuch der „Grotte Chauvet“, einer nachgebildeten Urzeithöhle. Hier konnte ich nachvollziehen, wie unsere Vorfahren vor Tausenden von Jahren lebten – faszinierend!
Nach zwei Wochen war die Hälfte meines Austauschs schon vorbei. Die Zeit verging wie im Flug, und ich fühlte mich längst als Teil von Gabriels Familie.

Schüleraustausch Woche 3 - und Abschied nehmen in Woche 4
Auch die dritte Woche war voller schöner Erlebnisse. An einem sonnigen Nachmittag zeigte mir Gabriel seinen Lieblingsplatz am Fluss – umgeben von alten Weinstöcken und einem kleinen Unterschlupf. Während ich eine Katze streichelte und Weintrauben direkt vom Stock naschte, verstand ich sofort, warum dieser Ort für ihn so besonders war.
Diese Woche war auch für Gabriel ein Höhepunkt: Sein 14. Geburtstag stand an! Wir bereiteten gemeinsam alles für die Feier vor, und viele seiner Freunde – einige kannte ich bereits aus der Schule – kamen vorbei. Im Garten veranstalteten wir eine riesige Nerf-Schlacht, und beim Sushi-Essen am Abend fühlte ich mich wie zu Hause.
Mit etwas Wehmut begann die vierte und letzte Woche. Ich wusste, dass es viele „letzte Male“ geben würde. Doch Gabriel und sein Vater hatten sich noch etwas ganz Besonderes überlegt: Wir hatten den Mittwoch Schulfrei und machten uns auf zu einer Übernachtung in einer Berghütte. Mit Rucksäcken voller Proviant, Kleidung und Schlafsäcken wanderten wir tief in den Wald hinein. Dort, weit entfernt von der Zivilisation, hörten wir in der Nacht die Brunftrufe der Hirsche. Als Abendessen gab es Käsefondue – ein Moment, den ich niemals vergessen werde.
Die letzten Tage vergingen mit Abschieden, kleinen Besorgungen und vielen Erinnerungen. Am Samstagmorgen hieß es schließlich „Au revoir“. Gabriel und sein Vater brachten mich nach Lyon zum Bahnhof. Der Abschied fiel mir unglaublich schwer.
Als ich schließlich in Leipzig ankam, wartete mein kleiner Bruder schon auf mich und rannte mir freudestrahlend entgegen. In den Armen meiner Familie fühlte ich ein Gemisch aus Freude, Trauer und Dankbarkeit.
In diesen vier Wochen habe ich nicht nur meine Französischkenntnisse verbessert, sondern auch die Leichtigkeit des französischen Lebensstils kennen gelernt. Ich weiß jetzt, dass in einem anderen Land ein Freund mit seiner Familie auf mich wartet – und dass uns eine Freundschaft verbindet, die weit über den Austausch hinausgeht.
Ich freue mich darauf, die nächsten Meilensteine unseres Lebens gemeinsam zu erleben.
Aber das ist eine neue Geschichte – denn jetzt ist Gabriel an der Reihe, uns wieder zu besuchen.
Mein Tipp an euch:
Traut euch, dieses Abenteuer zu wagen! Ein Schüleraustausch ist mehr als nur ein Schulprojekt – es ist eine Reise zu neuen Freunden, neuen Erfahrungen und zu euch selbst. Beginnt ruhig mit einem kleinen Austausch über die Schule – ihr werdet es nicht bereuen!
Ralf, Klasse 9/1








